Bio-Staat Sikkim als Vorbild
100% ökologischer Anbau ist möglich
Das gibt es doch noch gar nicht, oder? Doch, das gibt es, aber leider nicht in Deutschland, nicht einmal in Europa, sondern im indischen Bundesstaat Sikkim. Sikkim liegt im Nordosten Indiens, mitten im Himalaya. Der Bundesstaat gehört zu Indien, geht aber hinsichtlich der Landwirtschaft eigene Wege, jedoch verordnet von der Regierung. Herr Shri Pawhan Chamling ist dort schon sehr lange ein sehr engagierter Ministerpräsident. Seit 2003 plant er, die gesamte Landwirtschaft auf Öko-Landbau umzubauen. Erst hielten ihn viele für einen Fantasten oder gar Spinner. Aber er ist tatsächlich ein großer Visionär und der Überzeugung, dass die chemischen Mittel der intensiven Landwirtschaft die Natur zu sehr belasten. Vor diesen negativen Folgen möchte er die Bevölkerung seines Landes schützen. Wie wahr!
Keine Pestizide und Mineraldünger
Ein kleines Land mit rund 620.000 Einwohnern, flächenmäßig halb so groß wie Thüringen, wagt diesen großen Schritt und ist damit Vorbild für die Welt. Geht man dort auf die Märkte, bekommt man nur Bio-Lebensmittel. Das ist seit 2016 so. Alle landwirtschaftlichen Flächen wurden bio-zertifiziert. Die Bauern dort – überwiegend Kleinbauern – verzichten komplett auf Pestizide und mineralischen Dünger. Innerhalb der kurzen Zeit von 13 Jahren erfolgte der komplette Umbau der Landwirtschaft. 66.000 Kleinbauern mussten geschult werden. Die Einwohner und Bauern Sikkims sind stolz auf dieses einzigartige Projekt und ziehen mit. Das war aber auch nicht von Anfang an so. Auch dort war zunächst viel Überzeugungsarbeit nötig.
Clever anbauen mit Mischkulturen im Stockwerkanbau
Es geht den Menschen in Sikkim nicht nur darum, möglichst viel zu ernten, sondern beim Anbau ihrer Feldfrüchte auch den Boden gesund zu halten. Dies geschieht durch eine große Vielfalt im Anbau. Es gibt dort keine Monokulturen wie bei uns, sondern Mischkulturen im Stockwerkanbau. Neben einer großen Hauptfrucht werden kleinere Begleitfrüchte gepflanzt. Trotzdem wird bis zu 3x im Jahr geerntet. Die Vielfalt sorgt dafür, dass ein Schädlingsbefall nicht überhand nimmt. So kann man gut auf Pestizide verzichten. Ist doch eine Kultur von Schädlingen befallen, so vertraut man auf traditionelles Wissen und behandelt beispielsweise mit Extrakten aus dem Neem-Baum oder anderen Mitteln. Neem kennen viele Hunde- oder Katzenbesitzer vielleicht durch die Flohbehandlung ihres Haustieres – wenn sie auf die chemische Keule verzichten wollen. Auf diese Weise werden nützliche Insekten wiederum geschont.
Sikkim hat Vorbildfunktion
Die Regierung unterstützt diesen immensen Agrarwandel mit technischer Ausrüstung, Lehrgängen und Fortbildungen. Überall in den Dörfern werden große Komposthaufen angelegt. Das verbessert enorm die Bodenstruktur, die Pflanzen werden gesünder und weniger anfällig für Schädlinge. Mittlerweile wollen drei weitere Bundesstaaten in Indien komplett auf Ökolandbau umstellen.
Die Menschen in Sikkim verstehen nicht, warum das in ihren Augen weltoffene, gebildete Deutschland nur so einen geringen Anteil von ca. 8 % Öko-Landbau hat und nicht auf direktem Weg zu 100 % Bio ist. Ehrlich gesagt – wir, das Team vom VSR-Gewässerschutz auch nicht!
Ministerpräsident Herr Chamling in Sikkim hat eine Vision: Er hofft, dass die gesamte Welt bis 2050 auf Öko-Landbau umgestellt hat und wirbt dafür.
Wo stehen wir in Deutschland?
Im Jahr 2018 hatte Frau Klöckner (ehem. Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) für die Forschung und Förderung des Öko-Landbaus 30 Millionen Euro vorgesehen. Das hört sich zunächst nach einer erheblichen Summe an. Das Gesamtbudget des Ministeriums beträgt jedoch im Jahr 6 Milliarden Euro, die überwiegend in Subventionen für die konventionelle Landwirtschaft gesteckt wurden.
Insgesamt wurde also nur 0,5 Prozent des Geldes für den Bio-Anbau ausgegeben.
Eine Agrarwende ist so nicht möglich und offensichtlich auch nicht gewollt.